Frauen erobern die Wissenschaft



Wissenschaftlerin bei der Arbeit

Flugversuchsingenieurin, Zugforscherin, Astronautin – das alles sind Berufe, für die Frauen sich immer noch viel seltener entscheiden als Männer. Beim DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, gibt es sie aber. Insgesamt arbeiten dort an die 8.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an 16 Standorten in Deutschland, und 31 Prozent von ihnen sind weiblich. Mit der Astrobiologin Professor Dr. Pascale Ehrenfreund hat das DLR seit dem 1. Juli 2015 sogar eine weibliche Vorstandsvorsitzende.

Dieser Beitrag gibt einen Einblick, in welchen Berufen Frauen beim DLR arbeiten, wie sie gefördert werden und wie sich ihre Zahl im Lauf der Zeit verändert hat. Die folgende Bildergalerie zeigt einige der Mitarbeiterinnen des DLR und stellt ihre Tätigkeit vor. Die Links führen zu ausführlichen Mitarbeiterportraits auf der Website des DLR.

Arbeiten in Wissenschaft und Technik

Wie viele Frauen arbeiten denn beim DLR?

In Deutschland sind verglichen mit vielen anderen Ländern relativ wenige Frauen in wissenschaftlichen Berufen tätig. Laut der open_in_new She Figures 2015-Studie der Europäischen Union (PDF, engl.) waren im Jahr 2012 nur 27 Prozent der deutschen Wissenschaftler weiblich, das ist die viertniedrigste Zahl in der ganzen EU. Der Durchschnitt der EU-Länder betrug 33 Prozent. Im öffentlichen Sektor waren in Deutschland 34,3 Prozent der Forscher weiblich, im privaten Sektor lediglich 14,2 Prozent - nur in zwei anderen EU-Ländern war diese Zahl noch niedriger. 2,4 Prozent der weiblichen Berufstätigen in Deutschland waren Wissenschaftlerinnen, verglichen mit 5,4 Prozent bei den Männern.

Beim DLR ist die Situation ähnlich: Dort sind 15 Prozent der wissenschaftlichen und 35 Prozent der wissenschaftsstützenden Angestellten weiblich. Insgesamt sind 31 Prozent aller Angestellten des DLR Frauen, und der Anteil an weiblichen Führungskräften liegt bei etwa 17 Prozent. In den höheren Hierarchieebenen nimmt der Frauenanteil dabei jedoch ab.

Damit wächst der Frauenanteil beim DLR zwar langsam, aber kontinuierlich. Im Jahr 2004 arbeiteten nur 28 Prozent Frauen beim DLR. Von diesen waren 12 Prozent in Führungspositionen und 13 Prozent als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und der überwiegende Teil wissenschaftsstützend tätig. Seit 2004 hat der DLR weit über eintausend Frauen neu eingestellt.

Die folgende Grafik zeigt einen Vergleich mit ähnlichen Forschungseinrichtungen in anderen Ländern: der japanischen Raumfahrtbehörde (JAXA), der kanadischen Weltraumbehörde (CSA) und der US-Raumfahrtbehörde (NASA).

 

 

Bei der NASA ist beispielsweise der Anteil an Mitarbeiterinnen im wissenschaftlichen wie auch im nicht-wissenschaftlichen Bereich um etwa die Hälfte höher als im DLR. Ähnlich wie in Deutschland gibt es auch in den USA Förderprogramme für weibliche Nachwuchsforscher an den Universitäten und Großforschungseinrichtungen, berichtet Dr. Ralf Möller, Leiter der Arbeitsgruppe Weltraummikrobiologie beim DLR, der mehrfach in gemeinsamen Forschungsprojekten mit der NASA in Florida gearbeitet hat. Nach seiner Erfahrung sind in den Lebenswissenschaften gemischte Teams mit in etwa gleich vielen männlichen und weiblichen Wissenschaftlern üblich; entscheidend sei die Qualifikation, nicht das Geschlecht. „Gefühlt ist die Akzeptanz für Frauen in der ‚Technik‘ bei der NASA aber höher als hier“, gibt er zu denken.

In den Lebenswissenschaften sind gemischte Teams oft bereits die Norm: Hier ein Parabelflug des DLR, bei dem gemeinsam mit der Universität Witten das Verhalten des menschlichen Körpers unter Mars- und Mondbedingungen untersucht wurde.
Parabelflug

Ein Blick in die Vergangenheit

Marga von Etzdorf
Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-2008-0814-500 / CC-BY-SA 3.0

Einzelne Frauen spielten von Anfang an eine große Rolle in der Luft- und Raumfahrt und leisteten sehr viel Pionierarbeit. Trotzdem dauerte es relativ lange, bis sie anfingen, sich in diesem Bereich durchzusetzen. Die Lufthansa lässt beispielsweise erst seit 1980 allgemein weibliche Piloten zu, und auch die Air France war nur sieben Jahre früher dran. Dabei flog die deutsche Pilotin open_in_new Marga von Etzdorf schon 1927 für die Lufthansa. Damit war sie zwar die erste Frau im Cockpit einer Fluglinie weltweit; den Passagieren wurde jedoch verschwiegen, dass sie mit einer Frau geflogen waren. Heute liegt der Anteil an Verkehrsflugzeugführerinnen bei lediglich 6 Prozent. Die 1968 gegründete open_in_new Vereinigung deutscher Pilotinnen e.V. hat etwa 300 Mitglieder.

Die erste Frau im All war die Russin open_in_new Valentina Tereschkowa, die am 16. Juni 1963 abhob, um 49 Mal die Erde zu umrunden. Allerdings dauerte es 20 Jahre, bis ihr eine weitere Frau folgte, und bis Juli 2016 waren 60 von insgesamt 537 Weltraumreisenden weiblich. Eine deutsche Astronautin ist bis heute nicht im All gewesen. Allerdings findet zur Zeit mit Unterstützung des DLR ein Auswahlverfahren statt, um genau das zu ändern. Bis zum Jahr 2020 soll eine der 400 Bewerberinnen zur Internationalen Raumstation ISS geflogen sein.

Lesen Sie den Beitrag open_in_new "Frauen im Weltraum" aus dem open_in_new TH_OR@DLR-Projekt über das Auswahlverfahren für die erste deutsche Astronautin.

Valentina Tereschkowa, die erste Frau im All
Quelle: RIA Novosti, Bild 612443, CC-BY-SA 3.0

Lydia Rabinowitsch-Kempner, Mikrobiologin
Quelle: Library of Congress, LC-DIG-ggbain-06697

Auch in der Wissenschaft scheinen sich die Deutschen mit dem weiblichen Geschlecht schwer zu tun. In der Neuzeit konnten Frauen sich erstmals in den 1890er Jahren als „außerordentliche“ Studentinnen – also Gasthörerinnen - an Hochschulen im Norddeutschen Bund und im Kaiserreich einschreiben, wurden jedoch für die Abschlussprüfungen nicht zugelassen. Die erste deutsche Zahnärztin, open_in_new Henriette Hirschfeld, absolvierte ihr Studium in den USA und erreichte 1869 den Abschluss Doctor of Dental Surgery. Die ersten deutschen Professorinnen, wie die Mikrobiologin open_in_new Lydia Rabinowitsch-Kempner, waren von Gesetzes wegen von der Habilitation ausgeschlossen. Rabinowitsch-Kempner habilitierte und lehrte daher am Women’s Medical College of Pennsylvania in den USA. Andere europäische Universitäten, beispielsweise in Italien, erlaubten schon in den 1860er Jahren Professorinnen.

open_in_new Margarete von Wrangell wurde 1923 die erste ordentliche Professorin an einer deutschen Hochschule. Gegen den Widerstand einiger Professoren erhielt die damals 47-Jährige den Lehrstuhl für Pflanzenernährungslehre an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim. Sie erhielt sogar ein eigenes Institut für Pflanzenernährung, das sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1932 leitete. Insgesamt wurden in Deutschland während der gesamten Weimarer Republik jedoch nur sechs Frauen zur Professorin ernannt. Bis in die 1950er Jahre waren Frauen in akademischen Positionen weiter die Ausnahme, und am Ende des Jahrzehnts waren nur etwa 3 Prozent der deutschen Wissenschaftler weiblich.

Margarete von Wrangell, erste deutsche Professorin
Quelle: Wikimedia Commons, Public Domain

Christiane Nüsslein-Volhard, erste deutsche Nobelpreisträgerin
Quelle:Rama, Wikimedia Commons, CC-BY-SA-2.0-fr

Erst seit den 1980er Jahren hat das Thema Gleichberechtigung in diesem Zusammenhang an Bedeutung gewonnen. Bis heute ist die Biologin open_in_new Christiane Nüsslein-Volhard die einzige deutsche Wissenschaftlerin, der ein Nobelpreis verliehen wurde – sie erhielt ihn 1995 für ihre genetische Forschung. In den Lebenswissenschaften ist der Frauenanteil immer noch deutlich höher als in Disziplinen wie Mathematik, Physik und Informatik. So waren laut dem Statistischen Bundesamt (DESTATIS) im Jahr 2012 45,2 Prozent der Biologen an deutschen Hochschulen Frauen, unter den Physikern jedoch nur 16,8 Prozent.

Auf Wikipedia findet sich ein ausführlicher Artikel über open_in_new Frauen in der Wissenschaft.

Lucie Poulet vom DLR in Bremen und eine Kollegin der NASA während einer viermonatigen simulierten Mars-Mission auf Hawaii.
Weltraumforscherinnen auf Hawaii

Frauenförderung beim DLR

Damit in Zukunft mehr Frauen in wissenschaftlichen Berufen arbeiten, macht das DLR seit 1998 gezielt Anstrengungen, den Anteil seiner Mitarbeiterinnen zu steigern. Im Jahr 2002 wurde dem DLR für seine Bemühungen erstmals das Zertifikat "audit berufundfamilie" für sein familienbewusstes Engagement und im Jahr 2004 das Prädikat "TOTAL E-Quality" für seine an Chancengleichheit ausgerichtete Personalpolitik verliehen. Dabei ist es das erklärte Ziel des DLR, vor allem begabte junge Wissenschaftlerinnen gezielt zu fördern und zu stärken. Diese könnten dann später auch vermehrt Führungspositionen übernehmen, erklärt Patricia Femppel, Beauftragte für Chancengleichheit im DLR.

Das DLR hat zu diesem Zweck beispielsweise ein Mentoring-Programm für Wissenschaftlerinnen eingerichtet und bietet Kommunikations- und Führungstrainings für Frauen an. Zudem gibt es diverse Angebote, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern: So verfügt das Zentrum beispielsweise über eine eigene Familienberatungsstelle, und Angestellte mit Kindern können die Angebote des Elternservice AWO nutzen. Individuelle Telearbeits- und Teilzeitmodelle stehen ebenfalls zur Verfügung, um Angestellten mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Das DLR hat damit einen "nachhaltigen Prozess der familienbewussten Personalpolitik" beschritten, freut sich Femppel, die Beauftragte für Chancengleichheit.

Eine Mitarbeiterin des DLR prüft die Funktionsfähigkeit eines Solarspiegels.
Prüfung eines Solarspiegels